Hat man eine Stellenanzeige gesehen, hat man alle gesehen.
Was für eine Anhäufung von 0-8-15 Floskeln, noch immer mit einer kräftigen Brise Arroganz gewürzt. Zum Beispiel: “Senden Sie uns ihre aussagekräftige Bewerbung mit Angabe ihrer Gehaltsvorstellung an LmaA@bewerber-hölle.de.”
Würde ein Koch, ein Bäcker oder eine Floristin ihren Job so unkreativ, fantasie- und lieblos machen, dann würden schon bald Gäste und Kunden ausbleiben.
Besonders beliebt ist die Selbstbeweihräucherung frei nach dem Motto: Wir sind Marktführer, Weltmarktführer und die Benchmark im Universum. Um sich bei der Geschäftsleitung einzuschleimen, mögen solche Formulierungen für Mitarbeiter der Personalabteilung sinnvoll sein. Interessante KandidatInnen spricht man mit solchen leeren Worthülsen ganz sicher nicht an.
Natürlich dürfen die Ur-Rubriken „Wir bieten“ und „Wir erwarten“ nicht fehlen. Unter „Wir bieten“ ist kaum noch eine Peinlichkeit zu peinlich, um nicht in den Ring geworfen zu werden. So sind „sehr nette KollegeInnen“ im Angebot und „kostenloser Tee und Mineralwasser“. Zahlen die „sehr netten KollegInnen“ künftig die Miete des neuen Mitarbeiters? Braucht es nette oder lieber doch hilfsbereite und fachkundige KollegInnen?
Hauptsache der kostenlose Tee hat Bio-Qualität.
Das Homeoffice wird pauschal angepriesen. Unwichtig, ob das für den künftigen neuen Kollegen überhaupt passt. Nicht jeder Mensch ist im Homeoffice produktiv und konzentriert tätig. Egal, Hauptsache es klingt erstmal gut. Die neue Geheimwaffe sind Benefits und die sind ganz nebenbei auch die neue Währung grenzenloser Werteorientierungslosigkeit. Wie wäre es mit einer fairen Bezahlung? So können sich die MitarbeiterInnen ihre Benefits selbst kaufen.
Es folgt die Keule unter „Wir erwarten“, denn hier findet sich eine Auflistung an Eigenschaften und Fähigkeiten, welche kein ehrlicher Mensch jemals allein erfüllen kann. Wer beim Marktführer anfangen will, muss sich schon anstrengen, denkt der HR-Theoretiker. Und die wirklich interessanten Kandidaten haken das Stellenangebot ab, weil sie nur 8 von 10 Punkten erfüllen können. Blender und Schaumschläger senden ihre Bewerbung mit der Bitte um weitere Anforderungen, um der Gefahr der Unterforderung vorzubeugen.
Im Unternehmensleitblid steht „Der größte Wert unserer Firma sind unsere MitarbeiterInnen …“
Genau Deshalb muss der Einstellungsprozess so schlank wie möglich gehalten werden? Darf kaum Zeit in Anspruch nehmen? „Nutzen Sie unser Online-Bewerbungsformular…“ liest man dazu in den entsprechenden Anzeigen. So macht man alle gleich. Die Kreativen und Motivierten werden in einen unkreativen und unmotivierten, aber dafür schlanken Ablauf gezwungen, was die Unmotivierten sehr freut. Ihre Tarnung ist nun perfekt. Ganz ohne Anstrengung.
Wen wundert es eigentlich noch, dass derartig miserabel gestaltete und inhaltlich verquere Anzeigen keine Resonanz bringen? Dabei ist es auch völlig unerheblich, wo man diese gerade breittritt. Eine langweilige, nichtssagende 0-8-15-Stellenanzeige bleibt eine langweilige, nichtssagende 0-8-15-Stellenanzeige auch, wenn man sie auf Xing oder LinkedIn postet.
Stellenanzeigen mit 0-8-15 Floskeln und Selbstbeweihräucherung bleiben wirkungslos
Egal, denn schuld sind ja immer die anderen. Der Ablauf der wortreichen Erklärungen und Rechtfertigungen ist stets ähnlich. Zunächst wird das genutzte Medium zum Sündenbock gemacht. Einmal ist es die regionale Tageszeitung, die angeblich nur noch von Rentnern gelesen wird, mal werden Stepstone & Co. schuldig gesprochen. Spätestens, wenn die lustigen Bildchen auf Facebook und die peinlichen Videos auf TikTok auch nichts brachten, steht ein für allemal fest:
Der Markt ist leergefegt! Die Folgen des Fachkräftemangels sind unüberwindbar. Klappe zu Affe tot!
Man kann es sich so einfach machen, muss man aber nicht. Anzeigen, in welchem Medium auch immer, sind nicht alles. Aber sie können viel bewegen, wenn man sie neu denkt. Vor allem, wenn man sie aus der Sicht der möglichen KandidatInnen gestaltet und mit entsprechendem Inhalt füllt. Am besten Klartext.
Die alte Angelweisheit gilt noch immer und so muss der Köder dem Fisch schmecken, nicht dem Angler.
Doch sind Mediengestalter in Agenturen und in Verlagen überhaupt mit dem Know-how und Do-how ausgestattet, welches heute für die erfolgreiche Rekrutierung von neuen MitarbeiterInnen dringend notwendig ist? Der Medienberater hat den Auftrag an Land gezogen und wie entsteht nun eine wirkungsvolle Anzeige oder gar Kampagne mit der erfolgreich BewerberInnen akquiriert werden? Wie können frische und außergewöhnliche Ideen auf die Welt kommen, wenn die Kenntnisse aus dem Rekrutierungsgeschäft fehlen?
Ein hübsches Stockfoto mit ein paar hippen Floskeln garniert reicht eben schon längst nicht mehr aus. Es geht wie immer darum in Kontakt zu kommen. Wer erfolgreich rekrutieren will, braucht Auswahl. Es geht wie immer darum, viele Menschen zu erreichen. Damit ist nicht die heute übliche Aufmerksamkeitsgeilheit gemeint. Es geht darum Menschen kennenzulernen und zu öffnen. Ehrlich, direkt, verbindlich und berechenbar. Die heute so gehypte oberflächliche Wertschätzerei von der Stange ist ausdrücklich nicht gemeint.
Für das Anzeigengeschäft der Verlage ist dieses Know-how ganz besonders wichtig, denn wenn der Anzeigenkunde erst einmal gelernt hat, dass die Stellenanzeigen nur Kosten verursachen, aber keine geeigneten Bewerber bringen, dann werden die Budgets abgezogen und in andere Kanäle investiert.
Es ist eben nicht die alleinige Verantwortung des Kunden.
Will dieser mit einem aussichtslos schlechten Anzeigenentwurf ins Rennen gehen, muss man beratend eingreifen. Nur sehr wenige Kunden sind, wenn die Sache in die Hose geht, so selbstreflektiert, dass sie die Schuld bei sich selbst suchen. Viel einfacher ist es doch die Tageszeitung oder den Anzeigenverkäufer verantwortlich zu machen. Ist eine Anzeige erschienen, ist es die Pflicht der MediaberaterInnen beim Kunden anzurufen und nach den ersten Ergebnissen zu fragen. So kann man unter Umständen korrigieren, nachbessern und Folgegeschäft in immer wirkungsvollerer Form machen. So lernt man und bleibt UpToDate.
Ich bin kein Headhunter und will auch keiner sein, aber ich bin seit vielen Jahren als Trainer im Rekrutierungsgeschäft tätig. Ich begleite Führungskräfte mit Rekrutierungsverantwortung aus verschiedenen Branchen. Immer zu 100 Prozent in der Praxis. So halte ich mich selbst stets auf dem aktuellen Stand der Entwicklungen. Es gibt immer Möglichkeiten Menschen für eine neue Tätigkeit oder einen Standort zu gewinnen. Es geht nur nicht mehr so nebenbei und völlig ohne Anstrengung. Das ist auch gut so.
Der Fachkräftemangel wurde viel zu schnell zur etablierten Ausrede, die niemanden weiterbringt.