Immer wenn es darum geht, Schwachsinn zum neuesten Trend umzudeuten. Immer wenn es darum geht, Unwichtiges für extrem wichtig zu erklären. Wenn es eigentlich zu banal ist, um dafür teure Beratungsleistungen zu verkaufen, muss eine coole englische Begrifflichkeit her. Zum Beispiel: New Work – Kürzlich fand ich auf LinkedIn einen Beitrag der offensichtlich der „New-Work-Bibel“ entnommen war. Was so hipp daher kam, war eine Art Anleitung zum Gammeln am Arbeitsplatz. Also ein perfekter New Work Arbeitstag.

Ein perfekter New Work Arbeitstag

Man trifft sich zunächst in der „Hug and Praise Ecke“(warum eigentlich nicht Corner?) verteilt und empfängt Umarmungen und Lob. Danach darf sich der New Worker seine Aufgaben für den Tag selbst aussuchen. Wem zunächst nach einer ausgiebigen Runde jammern zumute ist, darf dies an der extra dafür eingerichteten „Klagemauer” tun. Offensichtlich sind jammern und klagen so typisch deutsche Eigenschaften, dass man hier von „Wailing Wall“ Abstand nahm und auf die deutsche Sprache „umswitchte“. Nun ist der New Worker bereit für „Sinnstiftung“. Das kann dauern und sehr anstrengend sein. Deshalb geht es nach der erledigten Stiftung von Sinn direkt ins „Chill-Out-Area“. Bei der Einrichtung dieses extrem wichtigen „New Work Elements“ ist unbedingt darauf zu achten, dass genügend Abstand zum Kickertisch eingehalten wird.

Kurz vor der Überforderung!

Ein Blick auf die Uhr verrät nun, dass es höchste Zeit ist, um zum „Lunch-Roulette“aufzubrechen. Sicher eine coole New-Work-Idee aus Las Vegas. Nach dem ausschließlich „Healthy and Tasty“ Speisen in Bio- und Fairtrade-Qualität auf den Designer Tellern landeten, kommt es zu einem Bruch im New Work Tagesablauf, denn nun kann es zur Übergabe nicht selbst ausgesuchter Aufgaben kommen. Keine Angst, denn es handelt sich hierbei um „liebevolle Instruktionen“. Diese sind so randvoll mit mütterlicher Herzenswärme gefüllt, dass man sich in seine schönsten Kindheitserinnerungen zurückversetzt fühlt und sogleich in die deutsche Muttersprache verfällt. Jetzt ist es aber allerhöchste Zeit für ein „Viertelstündchen Instagram & Co“. So ein New-Work-Arbeitstag ist voll anstrengend, denn kaum sind alle Follower darüber informiert, dass die Bio-Blumenkohlbratlinge mega crunchy waren, geht es auch schon zum „selbstgesteuerten Lernen ohne Rechtfertigung und Abstimmung“. Das wird diesmal besonders spannend, da der neue Ikebana-Kurs startet.

Kindergarten für Erwachsene statt Führung

Fazit: Es ist schon erstaunlich welche seltsamen Blüten unser enormer Wohlstand manchmal treibt. Die Kunden spielen bei all diesen selbstverliebten romantisch-entrückten New-Work-Phantasien an keiner Stelle eine Rolle. Doch unsere Firmen und Arbeitsplätze gibt es nur, weil es Kunden gibt die unsere Produkte kaufen oder unsere Dienstleistungen bezahlen. In Deutschland gab es im Januar 2019 ungefähr 45 Millionen Erwerbstätige. „Ein Viertelstündchen Instagram & Co.“ während der Arbeitszeit, natürlich voll bezahlt, ergibt so einen Arbeitszeitausfall von bundesweit 11.250.000 Stunden. Der „Silicon-Valley-Kickertisch“ wird in Deutschland allzu gern zum Mythos verklärt und man unterschlägt dabei, dass der Programmierer im kalifornischen Wundertal oft tagelang das Büro gar nicht verlässt, bis zur Erschöpfung durcharbeitet und zwischen Schreib- und Kickertisch im Schlafsack übernachtet.

Führung, Klarheit, Zuverlässigkeit

Der deutsche Luxus New Worker hingegen nutzt das mythische Spielgerät im Rahmen seiner gewerkschaftlich festgelegten Arbeitszeit und verpasst nur selten seinen pünktlichen Feierabend. Ich bin fest davon überzeugt, dass leistungsbereite und leistungsfähige Menschen klare und unmissverständliche Ansagen vom Chef bevorzugen und auf „Liebevolle Instruktionen“ gerne verzichten. „BildschirmarbeiterInnen“ sollten lieber ab und zu eine Augenpause einlegen, statt ein sinnfreies „Viertelstündchen Instagram & Co“ aufs Smartphone zu starren und damit die Augen noch mehr zu belasten. Da aber „Gammeln am Arbeitsplatz“ immer noch voraussetzt, dass man den nervigen Arbeitsweg auf sich nimmt, wird der Schrei nach „Zuhause gammeln“ immer lauter. Sie nennen es Home Office. Und unser profilierungsgetriebener Arbeitsminister liefert nun mit dem Hirngespinst eines gesetzlich garantierten Anspruchs auf „Zuhause gammeln“ den bisherigen Höhepunkt dieses welt- und menschenfremden Unsinns.

Ein perfekter New Work Arbeitstag ist kein produktiver Tag

Die New-Work-Experten verkaufen uns die Legende vom gechillten Mitarbeiter, der sich irgendwie selbstgesteuert erfolgreich um Kunden und Geschäft kümmert. Dafür sei es notwendig Unternehmen in große Indoor Spielpätze zu verwandeln. Das ist eine gefährliche neue Dimension des „Nicht-Führens“. Es ist zu befürchten, dass wir Deutschland so zum „Toys-are-us-Valley“ machen und unseren Wohlstand verspielen. Echte Profis, müssen die Rekrutierungserfolge der „New Work Spielplatzbetreiber“ nicht fürchten. Leute die einen Kickertisch und eine „Hug and Praise Ecke“am Arbeitsplatz brauchen, um leistungsfähig zu sein und kundenorientiert zu handeln, sind verzichtbar. Die praxisfernen New-Work-Theoretiker posten ganztägig ihre hohlen Phrasen in die Welt. Das Tun sie vor allem, um sich selbst zu beweihräuchern.

In meinen Projekten begegnen mir deutlich mehr Menschen, die sich einfach nur eine faire, ehrliche und kalkulierbare Zusammenarbeit mit ihrem unmittelbaren Vorgesetzten wünschen. Der darf Mensch sein, Fehler machen und mal übers Ziel hinausschießen. Die Zusammenarbeit soll auf akzeptable Art und Weise berechenbar sein. Auf den fast schon sprichwörtlichen Kickertisch und alle den anderen oberflächlichen New-Work-Puderzucker können und wollen die meisten gerne verzichten. In meinen Praxistrainings arbeiten alle an der Lösung des Problems und schaffen neuen Kundennutzen. Unternehmen müssen keine Familien ersetzen und auch nicht zu Tagesbetreuungsstätten für Erwachsene umfunktioniert werden. Unternehmen müssen Kunden nützen, damit die gerne für die erbrachten Leistungen zahlen.

Ein großes Problem steht uns dabei noch bevor. Es gilt den MitarbeiterInnen der Generation Z, die nun in den Arbeitsmarkt stolpern, zunächst schonend beizubringen, dass das Arbeitsleben doch kein Ponyhof ist. Das ein perfekter New Work Arbeitstag eben kein produktiver Arbeitstag ist. Sollte das nicht gelingen, so holen das ihre asiatischen Altersgenossen über den globalen Wettbewerb schmerzvoll nach.

 

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